Eine Republik für das 21. Jahrhundert

Republik für das 21. Jahrhundert

Viele Menschen spüren: Ein besserer Staat ist möglich, nur die Politik ist noch nicht so weit. Von diesem undeutlichen Gefühl kommt die unzufriedene Grundstimmung in der politischen Öffentlichkeit. Daher auch sind viele Wähler bereit, in scheinbar neue Politiker (im Jahr 2016 in Österreich Irmgard Griss, Norbert Hofer und Christian Kern, im Jahr 2017 Sebastian Kurz) große Hoffnungen zu setzen, die sich aber meistens rasch zerschlagen. Denn wichtiger als Personen sind Prinzipien und konkrete Verbesserungen. Das ist das Spielfeld, auf dem die Initiative Republik 21 aktiv sein will – mit Kritik an Bestehendem und Vorschlägen, wie es besser gehen kann.

Eines wird dabei immer klarer: Die großen politischen Ideologien aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind überholt. Jede von ihnen hat manchmal recht, manchmal unrecht. Politische Parteien, die sich an alte Ideologien, neue Personen oder auch einfach nur an ihre eigenen Traditionen und Organisationsstrukturen klammern, sind heute am Weg in den Abfalleimer der Geschichte. Nach dem Ende der großen Ideologien besteht allerdings auch die Gefahr der Beliebigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber den einzelnen Menschen – vor dieser Gefahr müssen sich neue „Weder-noch“-Politiker wie Emmanuel Macron in Frankreich besonders hüten. Deshalb ist das Leitprinzip der Republik 21 der Staat für UNS ALLE.

Ein Staat für uns alle – gute Arbeit und erfolgreiche Unternehmen

Der Sozialismus hat als Wirtschaftspolitik versagt. In der Geschichte des 20. Jahrhunderts war es zwar von entscheidender Bedeutung, dass organisierte Arbeitnehmer Verbesserungen durchgesetzt haben. Die Versuche sozialdemokratischer Parteien aber, die Wirtschaftspolitik so zu gestalten, dass der Staat immer die Interessen der Arbeitnehmer in den Vordergrund stellt, sind gescheitert – sie behindern die Unternehmen zu sehr, bremsen dadurch das Wirtschaftswachstum und die Entstehung neuer Arbeitsplätze, und verschlechtern damit gerade die Lebenschancen der Arbeitnehmer. Darüber hinaus hat sozialistische Wirtschaftspolitik im Sinn des „deficit spending“ in der Praxis zu hoher Staatsverschuldung geführt.

Auch liberale Wirtschaftspolitik, wie sie von Zentrums- und Rechts-Parteien verfolgt wird, im Sinn einer einseitigen Bevorzugung von Unternehmerinteressen durch Deregulierung, ist gescheitert. Gerade erst hat sie in der Finanzkrise von 2008 der Weltwirtschaft fünf bis acht Jahre verlorenes Wachstum gekostet, und damit wiederum Wohlstandsgewinne für die Menschen und jede Menge Arbeitsplätze. Mehr noch, Wirtschaftsliberalismus ist schon vom politischen Prinzip her verfehlt: Als Ideologie für Sieger bringt er den Starken Vorteile, die sich uneingeschränkt entfalten können, und geht stillschweigend über die Verlierer hinweg, die nicht besonders unterstützt werden, außer vielleicht durch Almosen. Und es reicht auch nicht, darauf zu warten, dass Menschen aus Verzweiflung selbst die schlechtesten Arbeitsplätze annehmen – der Staat muss sehr wohl darauf achten, dass Arbeitsverhältnisse auch menschenwürdig sind.

Solche liberale Ignoranz gegenüber den Schwachen ist nicht nur moralisch bedenklich, weil sie gleichgültig gegenüber Einzelschicksalen ist. Sondern sie vernachlässigt mit dieser Gleichgültigkeit, die sich in der Gesellschaft ausbreitet, in weiterer Folge die Chance, aus dem Gemeinsinn in einer Gesellschaft positive Kräfte zu schöpfen. Gemeinschaft und Gemeinsinn müssen aber die entscheidenden Triebkräfte für eine positive Neugestaltung des Staates sein. Zusammengefasst: Der Sozialismus ist aufgrund seiner wirtschaftspolitischen Ergebnisse obsolet, aber in seinem solidarischen Anspruch unverzichtbar – der Liberalismus hingegen liefert einen Fundus wirtschaftspolitischer Rezepte, aber sein Gesellschafts- und Menschenbild ist für eine Erneuerung des Staates unfruchtbar.

Deshalb wären alle politischen Kräfte gefordert, nicht Klientelpolitik zu betreiben, sondern:

  1. das Wohl aller Menschen in den Vordergrund zu stellen, und gleichzeitig
  2. das Funktionieren von Marktkräften in der Wirtschaft zu fördern und es ordnungspolitisch zu formen.

Dieser Ausgleich ist oft nicht selbstverständlich und muss immer wieder neu erstritten und ausgehandelt werden – das ist das tägliche Brot demokratischer Politik. Damit dieser Ausgleich funktionieren kann, bedarf es aber auch politischer Kräfte, die sich von Anfang an dazu bekennen und nicht bloß als gelegentliches wahlkampftaktisches Zugeständnis.

Sichere Straßen, schnelle Schienen, Internet für alle

Am sichtbarsten wird der Staat in den Infrastrukturen, die er seinen Bürgern bereitstellt. Das Straßen- und Schienennetz, eine verlässliche und saubere Energieversorgung, zunehmend auch der Zugang zum Internet beeinflussen unsere Lebensqualität. Der Stolz auf funktionierende Infrastrukturen ist eine der schönsten Formen von Patriotismus. Doch Infrastrukturen kosten den Staat Geld, das immer knapp ist – besonders knapp in einem Staat, der durch Disziplinlosigkeit einen großen Staatsschulden-Rucksack angehäuft hat. Deswegen gibt es bei der Infrastrukturfinanzierung ein Dickicht komplizierter Auslagerungskonstruktionen, das für die Bürger kaum verständlich ist. Und über das die Politik nicht gerne spricht. Zusätzlich stiftet der Regulierungsdschungel zwischen EU und Nationalstaat Verwirrung. Ein erneuerter Staat kann bei der Infrastrukturpolitik vieles besser machen.

Der Staat wird erst dann auf die Unterstützung der Bürger bei großen Infrastrukturvorhaben zählen können, wenn die Bürger darauf vertrauen, dass der Staat kompetent, transparent und nur in ihrem Interesse vorgeht. Das wird von der Politik noch große Anstrengungen erfordern, denn im heutigen verwachsenen Staat haben sich rund um die meisten Großinitiativen zur staatlichen Infrastruktur Schattenreiche der Einflussnahme entwickelt, die den Bürgern nicht allzu viel Vertrauen einflößen. Und so begegnet der gelernte Österreicher staatlichen Infrastrukturprojekten mit Misstrauen.

Doch in einer Zukunft, in der die alten ideologischen Debatten zur Wirtschaftspolitik nicht mehr dieselbe Rolle spielen wie heute, wird die Infrastrukturpolitik ein zentrales Politikfeld. Der inhaltliche politische Wettbewerb wird dann viel mehr als wir uns heute vorstellen können über Infrastrukturprojekte und deren Steuerung geführt werden. Es wird Zeit, die dafür nötige Sachexpertise in den Parteien aufzubauen.

Starker Schutz für Mensch und Umwelt

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis. Für viele Menschen ist die Fähigkeit des Staates, ihre Sicherheit zu garantieren, eine zentrale Anforderung an die Politik. In logischer Konsequenz heißt das, dass die Republik 21 ein starker Staat sein soll, der dieses Bedürfnis erfüllt und so Vertrauen schafft. Daher soll der Staat seine Sicherheitsfunktionen großzügig budgetieren, sorgfältig steuern und positiv darstellen. Das betrifft das Gesundheitssystem, die Polizei, die Feuerwehr und die Katastrophendienste, und ja, auch das Militär.

Über viele Jahre wurde die Landesverteidigung in Österreich zu gering budgetiert. Das Argument für eine stärkere Landesverteidigung im Rahmen des europäischen Konzerts hat mit Selbstverständnis zu tun: Ein reicher, starker Staat ist imstande, auf allen Feldern der Sicherheitspolitik, von der Kriminalitätsbekämpfung über den Klimaschutz, die globale Entwicklung bis eben zur militärischen Sicherheit, den ihm gebührenden Beitrag zu leisten. Da ist kein Platz mehr für Mogelpackungen, in denen sich Österreich auf seine Neutralität ausredet, aber in Wahrheit auf Schutz durch die umgebenden NATO-Länder zählt. Ist dieses Bekenntnis zu militärischer Stärke ein österreichischer politischer Tabubruch? Vielleicht, aber die Republik 21 wird es sich nicht leisten können, feig zu sein.

Neue Bedrohungen wie der islamistische Terrorismus oder die Cyberkriminalität erfordern neue Abwehrmaßnahmen. Die Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat im Angesicht von Bedrohungen keine faulen Kompromisse eingeht, sondern seine Sicherheitsinteressen mit allen ihm verfügbaren Mitteln durchsetzt. Darüber wird oft nicht viel öffentlich gesagt werden können, und niemand muss sich martialisch auf die Brust trommeln, erst recht kein Politiker. Aber die Feinde des Staates sind auch als solche zu behandeln.

Ebenso selbstverständlich wie der Schutz der physischen Sicherheit ist im 21. Jahrhundert auch der Schutz der Umwelt, ein verantwortungsvolles Verhalten in den Anstrengungen des globalen Klimaschutzes und das Verfolgen ökologischer Nachhaltigkeit.

Den Staat durchlüften und intelligenter steuern

Die Organe des österreichischen Staates, mit anderen Worten die Bürokratie, sind im internationalen Vergleich reif und leistungsfähig. Aber im verwachsenen Staat sind sie auch Teil des Problems: In manchen Bereichen staatlichen Handelns bestehen schwer zu durchschauende Verknüpfungen bürokratischer Abläufe mit Partikularinteressen der Regierungsparteien. Andere Bereiche der Bürokratie wiederum sind dem kontrollierenden Zugriff demokratisch legitimierter Politiker fast vollständig entzogen, etwa dort, wo für das staatliche Handeln ein hohes Ausmaß fachlichen Wissens erforderlich ist, über das Minister und andere Karrierepolitiker nicht verfügen. Hier dominieren pragmatisierte Beamte kraft ihrer Expertise und Erfahrung. Über Jahrzehnte werden in solchen Konstellationen weitreichende staatliche Richtungsentscheidungen von den Ansichten und der ganz persönlichen Anreizstruktur einzelner Beamter bestimmt.

Die etablierten Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP sind zu tief in diese Strukturen verstrickt, um hier als Reformkräfte wirken zu können – oft wird es gerade darum gehen, allzu kurze Wege zwischen diesen Parteien und der Bürokratie durch die Einführung offen einsehbarer Vermittlungsstellen zwischen Politik und Bürokratie etwas länger zu machen. Den Oppositionsparteien FPÖ, Grünen und Neos wiederum fehlen weitgehend Personen, denen die Strukturen der Bürokratie gut genug vertraut sind, um die richtigen Stellen für Veränderungen zu erkennen. Die beste Chance auf eine erfolgreiche Durchlüftung des Staates wird darin bestehen, eine Koalition von Experten zu schmieden, die bereit sind, in ihren jeweiligen Expertisebereichen profunde Veränderungsprozesse durchzuführen und der Politik neue Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen – und dies immer im Blick und unter Anteilnahme der Öffentlichkeit.

Neue Formen staatlichen Handelns können in diesen Veränderungsprozessen eingeführt werden: Nicht immer sind finanzielle und regulatorische Eingriffe allein das richtige Werkzeug staatlichen Handelns. So gibt es aktuell interessante Experimente mit Verhaltenssteuerung durch gezielte staatliche Kommunikationsmaßnahmen, indem etwa Briefe mit maßgeschneiderten Informationen und Aufrufen an genau definierte Zielgruppen in der Bevölkerung verschickt werden, wie das britische Magazin Economist berichtet. Solche verhaltensbezogene Politik kann Kosten sparen und effizient politische Zielsetzungen verfolgen. Aber auch digitale Technologien bieten große Chancen für Verbesserungen in der Verwaltung, sei das in der Datenanalytik und Ableitung zielgenauer Maßnahmen oder auch in der Verwendung digitaler Medien für den Kontakt zwischen dem Bürger und den staatlichen Organen (eGovernment).

Zusammenhalt in einer Republik, auf die wir gemeinsam stolz sein können

Der durchgehende Faden in den Vorschlägen von Republik 21 wird immer sein, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen und niemanden, der dauerhaft in diesem Land lebt, zurückzulassen (und das ganz ohne Sozialismus). Erst aus diesem Prinzip gewinnt ein so umfassendes Veränderungsprojekt seine Legitimation. Es geht ja nicht darum, alles Bestehende schlecht zu machen und mutwillig einzureißen zugunsten eines noch unbekannten Neuen. Sondern darum, überall dort entschlossen anzupacken, wo im verwachsenen Staat die Interessen von Menschen zu wenig Beachtung finden und es Chancen für Verbesserungen gibt. Weil dieser Weg lang und beschwerlich sein wird – wie jede ehrliche Art von Politik es sein muss – ist es wichtig, das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Eine starke, erfolgreiche Republik im Interesse aller Menschen – eine Republik, die sich ihrer verbleibenden Schwächen mit besonnener Hartnäckigkeit annimmt, und auf deren Erfolge wir gemeinsam stolz sein können.