Der Autor dieser Zeilen ist kein klassischer Militarist. Geboren 1971, verbrachte er die Gymnasialoberstufe in Furcht vor der Zivildienstkommission, die dann gerade rechtzeitig für den eigenen Zivildienst abgeschafft wurde. Im Jahr 1989 gelang der tschechischen Bürgerbewegung eine friedliche, „samtene“ Revolution. In Rumänien fuhren wenige Wochen später Panzer auf und es gab Tote – ein großer Schock. Zum Jahresbeginn 1991 wetterleuchtete der erste Irakkrieg – der Autor weigerte sich in diesen Tagen entsetzt, die amerikanische Invasion für richtig oder falsch zu befinden. Spätestens mit dem Massaker in Srebrenica und dem Genozid in Ruanda akzeptierte er jedoch die Prinzipien humanitärer Intervention. Seit damals hält er die österreichische unter-bewaffnete Neutralität für eine verlogene Doktrin, die einzig aus der österreichischen Verstrickung in die Verbrechen des Nazi-Regimes ein Stück weit rechtfertigbar schien – ein Argument, das mit dem zunehmenden Abstand mehrerer Generationen laufend an Gewicht verliert. Ein Zeitsprung von 20 Jahren führt uns in die Gegenwart des Sommers 2017: Gerade hat ein Grundwehrdiener, aus freiem Entschluss bei der Eliteeinheit Garde, mit einem akuten Infekt an einem Hitzemarsch teilgenommen und dabei sein Leben verloren.
Das Verhalten der verantwortlichen Offiziere bei diesem Todesfall soll hier nicht verteidigt werden. Die Aufklärung der Umstände ist gerade erst angelaufen und die völlig überzogene Verteidigungs-PR aus Heereskreisen irritiert enorm.
Eines fällt aber auf: Die Diskussionen nach diesem Unglücksfall finden in einem merkwürdig diffusen Zustand der öffentlichen Meinung statt. Was ist das eigentlich, das österreichische Bundesheer im Jahr 2017, vier Jahre nach der Wehrpflicht-Volksabstimmung, und was soll daraus werden?
Einen guten Überblick für uns Laien, die wir uns gern mit anderen Themen beschäftigen als dem Bundesheer, bietet die Reportage Heimatfront im DATUM vom November 2016. 0,66 Prozent des BIP, das waren 2,23 Mrd. Euro, gab Österreich im Jahr 2016 für die militärische Landesverteidigung aus und befand sich damit wie gewohnt am unteren Ende des europäischen Rankings. Mit dem Sicherheitspaket auf dem Frühjahr 2016 sollen dem Heer bis 2020 weitere 1,3 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt und damit neue Aufgaben in den Bereichen Terrorismus-Bekämpfung und Cyber-Warfare unterstützt werden.
Dies geschieht in einer Zeit, in der sich die europäischen NATO-Mitglieder unter dem Druck der amerikanischen Trump-Regierung und der russischen hybriden Putin-Kriege zähneknirschend in Richtung 2 Prozent BIP-Anteil bewegen, und in der nach der Brexit-Entscheidung und der Wahl Emmanuel Macrons neuer Schwung in die Vergemeinschaftung der Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsländer kommt. Im Klartext:
Das Heer hat zuletzt etwas mehr Geld bekommen, muss dafür neue Aufgaben bewältigen, und stagniert in Summe im Zustand einer Unterdotierung im europäischen Vergleich.
Das entspricht der langjährig eingeübten österreichischen Haltung zum Bundesheer: Die immerwährende Neutralität wird als Glücksfall begriffen, der dem Staatshaushalt die Beteiligung an westlichen Militärbündnissen auf zeitgemäßem finanziellem Niveau erspart. Und diese Geiz-ist-geil-Mentalität ist wiederum gedeckt durch die militärischen Verhältnisse in der österreichischen Nachbarschaft: Bis auf die neutrale Schweiz sind alle Nachbarländer NATO-Mitglieder und werden daher sämtliche Bedrohungen von uns fernhalten. Wir sparen beim Bundesheer, weil unsere Nachbarn für uns mitzahlen und uns mit ihrer NATO-Mitgliedschaft schützen. Eine solche Politik kann man als steuerzahlerschonend oder als unsolidarisch empfinden, in Wahrheit ist sie natürlich beides.
Aus Sicht der Republik 21 liegt jedoch genau hier der politische Fehler, in diesem Lavieren zwischen umfassender Landesverteidigung und unseriöser oder schlitzohriger Budgetierung und Ressourcenausstattung. Das ist eben nicht das Bekenntnis, das ein selbstbewusster Staat zu seiner Sicherheit abgeben sollte. Die Republik 21 fordert ein solches Bekenntnis im Zusammenhang mit einer Erneuerung der Staates: Für viele Bürger ist die Sicherheitsfunktion des Staates eines der größten politischen Bedürfnisse (die Wahlkampagne von Sebastian Kurz profitiert in diesen Wochen davon). Eine erneuerte Republik muss diesem Bedürfnis auch im militärischen Bereich entsprechen: Durch ein professionelles, auf Qualität getrimmtes Heer, das die sicherheitspolitische Verantwortung eines reichen Staates mit 9 Millionen Einwohnern im europäischen Verbund voll ausfüllen kann und damit neue positive Identifikationsmöglichkeiten für sicherheitsorientierte Bürger schafft, die sich sonst destruktiven Populisten zuwenden könnten.
Bis zum Nachweis des Gegenteils ist davon auszugehen, dass für ein solches, neu verstandenes Bundesheer, das vor allem militärtechnisch in die Gegenwart und Zukunft vorstößt, Halbjahres-Grundwehrdiener völlig unbrauchbar sind. Daher sind die Wehrpflicht und der Zivildienst zu streichen. Für den Zivildienst gilt dabei das gleiche wie für das Heer: Wenn Zivildiener und Soldaten wichtige Leistungen erbringen, dann sind diese von der Republik und den Steuerzahlern über den freien Arbeitsmarkt zu finanzieren (Nebenbemerkung: Für junge männliche Einwanderer könnten hier attraktive Möglichkeiten geschaffen werden). Es gibt kaum etwas, das weniger in eine Republik für das 21. Jahrhundert passt als Freiheitsberaubung an einem Teil ihrer Bürger.