Montag, Oktober 6, 2025

Das Kapital der FPÖ

Oktober 2022. Kickl hatte damals, im Juli 2017, im Parlament recht: Nach der vorgezogenen Wahl wurde die rot-schwarze Koalition erneuert. Seither haben SPÖ und ÖVP je zwei weitere Parteiobleute verbraucht.

Die Meinungsumfragen zur Nationalsratswahl 2022 waren korrekt: Die FPÖ unter ihrer Spitzenkandidatin Marlene Svezak hat die absolute Mehrheit erzielt. Österreich bereitet sich auf eine FPÖ-Alleinregierung vor.

Demographisch ist dieses Ergebnis keine Sensation – die FPÖ-Wählerschaft setzt sich aus den gleichen Gruppen zusammen, die schon 2016 Norbert Hofer bis knapp an die 50-Prozent-Marke trugen, es sind bloß wegen der jungen, weiblichen Spitzenkandidatin einige Frauenstimmen dazugekommen. Auch inhaltlich hat sich nichts geändert: Die FPÖ-Erfolgsformel funktioniert noch immer so wie von Jörg Haider in den 80er Jahren ersonnen. Die Augmented Reality-Wahlplakate der FPÖ zeigten uns im bewährten Weiß-Blau-Rot-Design die alten einfachen Sprüche.

„Wir“ stehen nun heute, im Jahr 2022, nach dem FPÖ-Wahlsieg alle gemeinsam. Regiert werden Wir alle von einer Partei, die knapp mehr als die Hälfte der Stimmen gewonnen hat, besonders viele außerhalb der Städte und bei Menschen ohne abgeschlossene höhere Ausbildung. Aber diese Partei, die FPÖ2022, versichert uns, dass Wir zuerst kommen, und damit sind hoffentlich wir alle gemeint. Wir wissen genau, wer Wir sind: Wir sind diejenigen, die sich ihrer österreichischen Sache sicher sind, Wir stehen gegen die Eliten, gegen die Ausländer.

Die Ausländer sind weiter unter uns. Die gewählte Bundeskanzlerin hat noch am Wahlabend erklärt, dass alle Menschen, die legal nach Österreich eingereist sind, hierbleiben können. Sie hat auch einige weitere Zusicherungen gegeben, die vor allem an die Mikrofone der ausländischen Presse gerichtet waren. Der Tross der globalen Außenpolitikreporter war am Wahltag nach Wien eingefallen und hat uns zwei Tage später, nach Drehschluss für all die aufgeregten Sondersendungen, wieder verlassen. Jetzt sind Wir allein, Wir und unsere FPÖ.

Erste Zweifel haben uns beim Blick auf die Ministerkandidaten beschlichen: Das sind jetzt nicht gerade Superstars, die da in die Ressorts einziehen. Es sind auch nicht Menschen wie Wir, sondern verdiente Parteifunktionäre der FPÖ aus den Bundesländern. Burschenschafter und die Enkel des alt-nationalen VDU-Adels. Obwohl Wir keine Superstars mehr sehen wollen – endlich sind Wir die Elite los – wird uns doch etwas mulmig, wenn Wir an diese FPÖ-Politiker denken, die ihr Leben lang nur von blauer Oppositionspolitik gelebt haben. Das hieß immer Totalablehnung der Regierung und es beinhaltete ganz selten eigene, umsetzbare Gesetzesvorschläge für die Wirtschaft, die Bildung, den Sozialstaat oder das Gesundheitssystem. Von der Regierungsfähigkeit unserer neuen Ministerriege sind laut Meinungsumfragen nur 12 Prozent aller Wähler überzeugt, selbst von den FPÖ-Wählern nur ein Viertel.

In der FPÖ gibt es überhaupt nur wenige Menschen, die in Sachfragen auf der Höhe der Zeit sind. Außer einigen Juristen und Historikern liest fast niemand aus der FPÖ Fachliteratur. Wie werden diese Menschen eines der höchst-entwickelten Länder in die Zukunft führen können? In Deutschland verfügen die Parteien für diesen Zweck über gut besetzte Expertenteams – dafür ist Österreich zu klein, der Gestaltungswille muss bei uns tatsächlich immer von Ministern und kleinen Personenzirkeln auf Kabinettsebene ausgehen. Oder eben nicht.

Das ist eben der Preis, den Wir für unsere Wahlentscheidung bezahlen müssen, ähnlich wie die Briten, die jetzt sechs Jahre nach der Brexit-Entscheidung in einer hartnäckigen Rezession stecken, oder die Amerikaner, wo Präsident Pence sich neben der Sanierung der Wirtschaft weiterhin vor allem um die gerichtliche Aufarbeitung der zwei Jahre Trump-Präsidentschaft bis zu seinem Impeachment beschäftigen muss.

Doch Wir sind nicht verzagt, denn Wir haben die FPÖ. Die Älteren unter uns haben ihr ganzes politisches Leben mit der FPÖ verbracht. Immer war die FPÖ für uns da, wenn wir vom Staat enttäuscht waren. Und dafür gab es so viele Anlässe! Wie oft wurden Ungerechtigkeiten und Schweinereien aufgedeckt! Staatliche Leistungen werden verschwendet an die, die sie am wenigsten verdienen. Den einen werden die Geldbündel schon in die Wiege gesteckt, die anderen kommen durch Packeleien und Parteibuch zum Erfolg oder sind Ausländer. Nur wir mussten uns für jeden Euroschein ganz hinten anstellen und wurden doch immer zurückgesetzt und enttäuscht. Wir waren immer die Blöden.

Wie oft hat uns ein SPÖ-Bundeskanzler im Fernsehen versprochen, für die kleinen Leute da zu sein, für die Pensionisten und die Hackler, und hat es nicht gehalten. Wie oft hat uns ein ÖVP-Finanzminister versprochen, mit der Steuergeldverschwendung Schluss zu machen, und dann Milliarden für sinnlose Eurofighter und für die Rettung fetter Banker verprasst. Nur die FPÖ war immer für unser Österreich da und hatte echte Top-Politiker, zuerst den Dr. Haider, ein Genie, dann den unermüdlichen Kämpfer H.C. Strache und den sympathischen Ing. Norbert Hofer, dem die Elite die verdiente Präsidentschaft nicht gönnen wollte. Die Svezak jetzt ist auch super, und jung noch dazu.

Die FPÖ war für uns immer die Hoffnung auf ein gerechtes Österreich, in dem endlich Wir zuerst kommen, und nicht andere. Diese anderen, vor allem die Ausländer, wollen sich die Sozialleistungen erschleichen, die Wir mit unserem Steuergeld bezahlen. Mit der FPÖ verbindet uns daher ein festes Band der Treue, das von anderen gar nicht durchtrennt werden kann! Also versucht es gar nicht erst, es ist zwecklos. Unsere ewige Treue – das ist das Kapital der FPÖ.

Manchmal, wenn Wahltag ist, gehen Wir einfach nicht hin. Das ist, wenn Wir nicht gut drauf sind. Und manchmal fragen Wir uns auch, ob uns die FPÖ wirklich helfen wird, jetzt wo sie an der Macht ist. Dass sie für Österreich ist, daran besteht kein Zweifel, und dass sie für uns da ist, das ist auch klar – eben die soziale Heimatpartei. Aber kann eine Partei allein überhaupt das Steuer herumreißen, und wohin? Wie will sie das anstellen? Darüber wissen Wir nicht genug. Beim Dr. Haider wäre es klar gewesen, dass er es gekonnt hätte, aber der ist tot.

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