Donnerstag, Oktober 9, 2025

Politiker-Jahresrückblick 2017: Einige fanden zu sich

„Zusammen“ lautet der Titel des Regierungsprogramms der neuen Koalition, natürlich eine Übertreibung. Übertrieben als Zielbestimmung – denn nicht alle zahlen genug Steuern, um eine Handreichung von dieser Regierung erwarten zu dürfen – und übertrieben als Beschreibung des Zustands, denn wenig überraschend zog die Republik auch 2017 getrennt an vielen Strängen.

Die eine oder der andere hat auf dem persönlichen Weg durch das Jahr Interessantes erlebt, und wenn schon nicht zu den Mitmenschen, so doch wenigstens zu sich selbst gefunden.

Beginnen wir unseren kurzen quasi wutbürgerlichen Streifzug der Selbstfindungen am ganz unteren Ende des Politspektrums mit den von Flora Petrik vertretenen Vorstandsmitgliedern der Jungen Grünen, deren rigoroses Auftreten im Streit mit der Parteispitze ihnen ein Pluszeichen im Listennamen der KPÖ, nunmehr KPÖ+, verschaffte und später die Erkenntnis, dass dieses Plus doch nur eine schwarze Null war. Strategisch konsequent, Mutterpartei beschädigt, ausgetreten, nichts erreicht, Gratulation.

Ähnliches gelang, um bei der Jugend zu bleiben, den beiden Shootingstars der basisdemokratischen Listenerstellung der Parlamentsgrünen, nämlich Sigrid Maurer und Julian Schmid, die über hervorragende Plätze auf den Wahllisten sozialmedial jubeln durften, sich nun aber erstmals einen echten Beruf suchen müssen. Dumm gelaufen.

Rhetorisch brillant gelaufen ist hingegen die Wahlbewegung von Peter Pilz, von dem beinahe ein Rezeptbuch des erfolgreichen Abspaltens zu erbitten gewesen wäre, wenn nicht, ja wenn nicht die ganze Geschichte von seinem persönlichen Rachefeldzug motiviert gewesen wäre, wegen lästiger Belästigungsgeschichten, die dann so gar nicht zum überdimensionierten Selbstverständnis passten.

Auch die spannende Frage nach der demoskopischen Sprengkraft der Politikrevolutionärin Irmgard Griss wurde 2017 beantwortet, nämlich einsilbig.

Der neue Oppositionschef Christian Kern hätte sich an dieser Stelle sicher ein längeres Kapitel verdient, nur der Wähler hat es anders gesehen. Im Jänner noch der amerikanische Auftritt mit Dauerrede in der Welser Zirkusmanege, federnd und siegessicher im ersten Teil der Vorstellung, sich versteinert am Pult festhaltend im zweiten, als es um das Ausländerthema ging. Umständlich formulierte die Partei Koalitionsbedingungen mit der FPÖ. Im Hintergrund wurde genialisch ein israelischer Superberater ans Ruder gesetzt. Es war alles so gut gemeint, nur zur Bedrohung Kurz fiel der SPÖ nichts ein außer viel zu viele Worte. Worte werden nun das Restmetier von Christian Kern sein, das kann er, wie er schon als ÖH-Funktionär in Opposition zur übermächtigen VP-Aktionsgemeinschaft zeigte. Kreise schließen sich.

Auch bei Heinz-Christian Strache, der seit seiner Wahlniederlage – wer erinnert sich noch an die Wahlumfragen von 2016? – endlich wieder die Brille tragen darf, mit der er ins Kalenderjahr gestartet war. Er und seine engsten Mitstreiter sind im System angekommen, seit VdU-Zeiten das übergeordnete Ziel des dritten Lagers. Inhaltlich ist man variabel, soweit es die Wählersicherung zulässt.

Der Vorwurf des Abkupferns gegen Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik, ist daher unglaubwürdig. Die inhaltlichen Positionierungen der türkisen Bewegung sind strategischer als jene der Konkurrenz. Von den Gegnern wurde der Wahlkampf von Kurz als inhaltsleer kritisiert, doch der Erfolg gibt recht: Entscheidend für den Zieleinlauf war die Form, das Wahlprodukt in konkurrenzloser Stimmigkeit. So endet die Jahresrückschau mit dem Gewinner der Goldmedaille – die Frage, ob der Sieger nach der Ehrenrunde am Ziel all seiner frühreifen Wünsche auch leicht zu einem neuen Aufbruch finden wird, bleibt unter den ersten Klängen des Donauwalzers offen.

Anderswo gab es echte Ereignisse: Die Menschen im Land gingen ihren privaten und beruflichen Beschäftigungen nach, profitierten vom materiellen und immateriellen Reichtum, von Infrastruktur, Wissen, Fertigkeiten und gesellschaftlichem Grundvertrauen. Soweit erkennbar entwickelten sich Wirtschaft und Kultur im ungefähren Gleichklang mit der ebenfalls prosperierenden Nachbarschaft. Es war ein gutes Jahr für viele, möge das nächste für uns alle noch besser werden.

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