Liebe nächste Regierung,
noch bist du nicht geboren, doch eines will ich dir vorab in dein sich ausfaltendes Ohr flüstern: Deine Farben (Haare, Augen, Haut) sind mir ganz egal – wir, deine ganze Familie, warten aufgeregt auf dich. Ob dein Leben gelingt, wird nicht davon abhängen, wer du bist und wie du aussiehst, sondern von deinem Handeln. Eine Rolle wird spielen, welche Instinkte und Anlagen du mitbringst, ja. Aber heute möchte ich dir drei Ratschläge auf deinen Lebensweg mitgeben, die du ganz unabhängig von deiner Veranlagung beherzigen sollst.
- Lass die Finger von Message Control. Die Motivation war ja nachvollziehbar: Eine intern uneinige Koalition ist ein gefundenes Fressen für die Opposition. Eine stromlinienförmige Regierung würde nach Jahrzehnten der Großen Zwangsehe den Aufbruch zu etwas Neuem spürbar machen. Aber die Praxis hat gezeigt: Erstickte Debatten verhindern nicht die Kritik, sondern befeuern den Generalverdacht, die Regierung führe Übles im Schilde. So wurde die Message Control zum Brandbeschleuniger der politischen Polarisierung. Verzicht auf Message Control, mit ihrer untergeordneten Rolle der Fachminister, bedeutet übrigens auch die Notwendigkeit starker, debattenfähiger Ministerpersönlichkeiten.
- Mach deine Weltanschauung zu deiner Marke, nicht einzelne Politiken. Das Gegenteil führt nämlich zu unvernünftigen politischen Entscheidungen, wenn die Sachpolitik der Markenpflege geopfert wird. Drei große Politikfelder stehen am Programm, bei denen das nicht mehr passieren darf: Klimawandel, Bildung und Migration. In Wahrheit gibt es ja einen breiten Konsens im Land, dass in diesen Themen kluge Politik ohne überschießende Emotion oder eigensinnige, überzeichnete Kampagnen dringend nötig ist. Beim Klimawandel brauchen wir Innovation, Regulierung und Anreize, und nicht Moralpredigten; in der Bildungspolitik entschlossene Reformen unter Einbindung der vorhandenen Expertise und mit Augenmaß; in der Migrationspolitik klare Regeln, schnelle Verfahren und die Pflege von internationalen Netzwerken, um Rückführung zu ermöglichen. Marktschreierische Glücksritter können wir uns einfach nicht leisten.
- Die Sache mit den Generalsekretären in den Ministerien hat Potenzial im Rahmen einer Transparenzoffensive – du musst es aber ehrlich meinen. Die Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, was an der Schnittstelle zwischen ihrer überparteilichen Verwaltung und der demokratisch legimitierten politischen Regierung ausgetauscht und entschieden wird. Die Verwaltung hat die Expertise, die Regierung die politische Legitimation. Nicht jeder Minister wird über das Fachwissen und die nötige Zeit verfügen, um mit seinen Spitzenbeamten zu verhandeln. Entlastung durch eine politische Vertrauensperson auf Augenhöhe mit den Sektionsleitern kann da Waffengleichheit herstellen. Aber eben: transparent. Alles, was politisch angeordnet, und alles, was dazu fachlich aufbereitet wird, gehört an die interessierte Öffentlichkeit. So wird nämlich auch die allzu große Versuchung für Regierungsparteien, die Verwaltung politisch zu besetzen, ihre Grundlage verlieren.
Du siehst, liebe ungeborene Regierung, keiner von diesen Ratschlägen an dich hat etwas damit zu tun, ob du als Links- oder Rechtshänder geboren wirst.
Nütz die Chance, aus den Erfahrungen der letzten zwei Jahre zu lernen, und ermögliche uns allen, dir in unbesorgter Liebe bei deinen ersten Schritten zuzusehen.
Deine
Republik 21