Es ist die Wortschöpfung der Woche: Die Slim-fit-Boys. Heute zum Beispiel verwendet von Albert Steinhauser, dem neuen Grünen-Klubchef, in seinem Antrittsinterview in der Presse:
„Ich sehe viele Slim-fit-Boys, die als PR-Produkt inszeniert werden. Das ist die Spezies, die sich in der Politik breitmacht.“
Slim-fit-Boys, das meint den ÖVP-Star Sebastian Kurz und seinen modischen SPÖ-Vorgänger Christian Kern. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, ursprünglich wohl der Athlet in dieser feschen Herren-Dreierrunde, scheint hingegen derzeit doch schon am Weg zum Regular-Schnitt. Dies aber nur als passend oberflächliche Nebenbemerkung.
Slim-fit-Boys in der Politik also – soll man sie lieben oder verachten? Etwas, das sofort ins Auge springt, ist die Beschränkung des Phänomens auf Österreich. Um das einzusehen, reicht ein schneller Blick nach Deutschland, wo die Bundestagswahl in diesem Jahr zwischen Angela Merkel und Martin Schulz ausgetragen wird. Die österreichische Politik ist offenbar in einer ganz speziell modischen Phase angelangt. Oder sind die österreichischen Wähler besonders visuell orientiert? Sei das wie es sei.
Gutes Aussehen ist in vielen Lebenslagen ein Vorteil, besonders dort, wo Wettbewerb um Aufmerksamkeit herrscht. Für Neueinsteiger in politische Spitzenfunktionen muss dies ebenso gelten wie für Unterhaltungskünstler. Trotzdem ist das Phänomen des visuell inszenierten Neo-Politikers ein nur zeitweiliges. Auch der empfänglichste Wähler und die empfänglichste Wählerin haben sich irgendwann selbst am hübschesten Politikergesicht satt gesehen.
Dann aber kommt die Stunde der Wahrheit: Was bleibt nach dem Erlöschen des Attraktivitätsfeuers? Eine leere, etwas peinliche Hülle oder etwas mehr? Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Das Erstaunliche am aktuellen Durchmarsch von Sebastian Kurz an die erste Stelle der Meinungsumfragen zur Nationalratswahl ist, dass Kurz in den meisten Politikfeldern noch keinerlei Position bezogen hat. Aktuelle Aussagen von ihm zur Wirtschafts- oder Sozialpolitik fehlen. Das wird jeden Tag mehr zur Bedrohung. Denn das Bild eines inhaltlich beliebigen Politikers, der nur von seiner Attraktivität lebt, könnte an Kurz für die Zeit nach der Anfangseuphorie kleben bleiben. Dann aber wäre er gegenüber Strache und Kern, die bereits zu ihrem inhaltlichen Profil gefunden haben, im Nachteil.
Trotzdem sollte auch in Österreich möglich sein, was andere europäische Länder vorzeigen: Eine Politik, in der die körperliche Figur der Spitzenkandidaten keine Rolle spielt. Vielleicht ist das sogar bereits heute so, und der Slim-fit-Hype wird als nicht mehr als eine schillernde Blase in Erinnerung bleiben, in der sich einige österreichische Politiker und ihre Berater in den Jahren 2016 und 2017 in trügerischer Sicherheit gewähnt haben. Denn die Frage nach den inneren Werten ihrer Politik werden wir Wähler den drei Herren und allen anderen Repräsentanten der Republik nicht ersparen.