Samstag, Oktober 11, 2025

Kurz-Forderungen an die ÖVP: Allein bestimmen, was ist egal

Am Vorabend seiner Inthronisierung als Spitzenkandidat stellt Sebastian Kurz durchaus forsche Forderungen an seine Parteifreunde, unter anderem will er künftig allein – das heißt ohne Parteivorstand – über Koalitionsverhandlungen, Regierungsmitglieder und die inhaltliche Ausrichtung der Partei entscheiden.

Das ist nicht gleich das Ende der Demokratie, wie Gerfried Sperl im Standard befürchtet. Schließlich ist die ÖVP nicht ganz deckungsgleich mit Österreich. Und welcher Wind in den Gremien der Volkspartei und in ihren Bünden und Landesorganisationen weht, das ist – mit Verlaub – für den Großteil des Landes so irrelevant wie die Sitzungsprotokolle aus der Meidlinger Bezirks-ÖVP. In den Sitzungen dabei sein will man halt auch nicht unbedingt. Kurz verlangt Handlungsspielräume, und die sollen in den Parteistatuten verankert sein.

Nur: Wenn er die erst einmal hat, die Spielräume, was gedenkt er dann damit zu machen? Darüber hat Kurz nichts gesagt.

Gegen den EU-Beitritt der Türkei zu sein (für den eh niemand mehr ist), für die Schließung der Balkanroute (das war vor eineinhalb Jahren) – das ist ja noch kein Vollzeitjob für die Jahre 2017 bis 2021, also die nächste Regierungsperiode. Über sein bisheriges Ministerportfolio hinaus ist Kurz ein unbeschriebenes Blatt, beziehungsweise konnte man bisher annehmen, dass er in den anderen Politikfeldern einfach auf ÖVP-Linie liegt. Jetzt sagt er, dass die Regierungsergebnisse „keine großen Würfe“ gewesen sind – das deckt sich gut mit der Meinung der meisten Bürger, aber: Was, bitteschön, wäre denn unter einem Vizekanzler oder Kanzler Kurz anders gelaufen, welche Speer- oder Diskuswürfe stehen uns bevor? Wir wissen es nicht. Die ÖVP-Granden wohl auch nicht. Kann gut sein, dass Kurz selbst es auch nicht weiß. Das sind viele Unbekannte für einen, der in Zukunft aber bitte jedenfalls alles allein entscheiden will.

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