Montag, Oktober 6, 2025

Es ist verdammt hart, die SPÖ zu sein

Mit Bundeskanzler Christian Kern, aber eigentlich mit der ganzen Partei, für die er steht, kann man dieser Tage schon Mitleid haben. Da wurde ein Jahr lang diszipliniert an der Positionierung gearbeitet, der Kanzler als dynamische, moderne und doch nicht abgehobene Führungspersönlichkeit platziert. Den Plan A hat zwar niemand gelesen, aber er schaffte doch den Eindruck, dass die Partei etwas zu sagen hat. Auf Neuwahlchancen wurde verzichtet, wie das Kaninchen auf die Schlange schaute man auf die ÖVP und deren drohenden Spitzenkandidaten Sebastian Kurz. Bis der dann schließlich tatsächlich an der Tür klingelte. Und zur Überraschung vieler hatte die SPÖ auf seine forsche Begrüßung keine Antwort parat. Kurz besetzte die Rolle des neuen, unverbrauchten Siegertypen, und in dieser Rolle kann es nur einen geben – Kern fand sich sanft auf die Seite geschubst und als Altpolitiker neu gebrandet.

Es wird jetzt viel über taktische Fehler der SPÖ geschrieben, die einen schwierigen Wahlkampf vor sich hat. Aber seien wir ehrlich: Leicht hat es die SPÖ in Österreich schon lange nicht gehabt, die aktuelle Wahlentscheidung spitzt nur ein Szenario zu, das schon länger besteht: Die SPÖ allein im Dreikampf mit zwei Parteien rechts der Mitte. Die traditionellen Parteibindungen, von denen die SPÖ früher zehrte, haben sich weitgehend aufgelöst, Arbeiterpartei ist heute die FPÖ. Was von der SPÖ ideologisch noch übrig ist, verfängt nur in Großstadtsalons, ist aber draußen am Land kaum verkaufbar – es waren einmal Solidarität, Zentralismus und Arbeitnehmerorganisation. ÖVP und FPÖ können dagegen unverdrossen aus dem Klassikrepertoire (Heimat, traditionelle Werte, Steuersenkung) schöpfen und die Menschen ohne große Mühe bei den Emotionen packen.

In der Vergangenheit konnte die SPÖ vieles durch die Unterstützung der Boulevardzeitungen ausgleichen, aber die haben erstens gelernt, ihre Gunst auch an andere Bieter zu verkaufen, und zweitens geht ihr Einfluss zugunsten der sozialen Medien immer weiter zurück. In den sozialen Medien läuft auch wieder viel über Emotion – erneut sind die beiden Rechtsparteien bei den Wählern im Vorteil. Die SPÖ müsste sich inhaltlich verändern, um diesen Wandel erfolgreich zu bestehen, aber dafür wiederum ist sie aufgrund ihres ehrwürdigen Alters und ihrer festen Strukturen zu unflexibel. Es ist kein Zufall, dass europäische Sozialdemokraten, die in der letzten Zeit Wahlerfolge gefeiert haben – Jeremy Corbyn und Emmanuel Macron – außerhalb der Hauptströmungen ihrer Parteien stehen und diese mehr oder weniger revolutionär übernommen haben. Durch den Umsturz konnten sie Freiraum für neue Inhalte schaffen. Wobei das Paar Corbyn und Macron ja nicht unterschiedlicher sein könnte und bereits die prinzipielle thematische Undefiniertheit, oder auch Beliebigkeit, solcher neuer Sozialdemokratien demonstriert.

Aber selbst wenn es der SPÖ gelingen sollte, auch hierzulande ihren inneren sozialdemokratischen Revolutionär zu entdecken und sich inhaltlich aus der Umklammerung von ÖVP und FPÖ freizuspielen, so hätte sie doch noch immer ein großes ungelöstes Problem, nämlich ihre historische Hauptschuld an der Erstarrung der Republik über viele Jahre großer Koalition.

Die Republik 21 bezeichnet all das als den verwachsenen Staat: Herrn und Frau Österreicher fällt es einfach enorm schwer, der SPÖ (auch der ÖVP) abzukaufen, dass sie sich für irgendwelche Sachthemen annähernd so sehr interessiert wie für ihren Machterhalt. Man ist geneigt zu sagen: Gebt auf, Sozialdemokraten, lasst es sein, sucht euch etwas Neues. Politik ist schon schwer genug, aber mit der SPÖ noch einmal an die gute alte Zeit anzuschließen, das ist fast unmöglich.

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